Welche Medien und Geräte nutzen Kinder?
Das Jahr 2020 war für Medienforscher – gerade wenn sie die kindliche Nutzung im Blick haben – ein sehr spannendes Forschungsfeld. Die Pandemie und die Lockdowns sorgten dafür, dass sich viele Rahmenbedingungen änderten, die das kindliche Freizeitverhalten determinieren. Kinder durften im Frühjahr 2020 von einem auf den anderen Tag nicht mehr in Kita und Schule. Eltern sollten ins Homeoffice oder gingen in Kurzarbeit. Und zusätzlich fielen alle Freizeitangebote, die man sonst nutzen kann (Sport, Kultur, Urlaub, Besuch bei Freunden und Verwandten etc.), aus. So mussten sich Familien arrangieren, Kompromisse suchen, neue Dinge ausprobieren und Lösungen finden. Nach einer Entspannung im Sommer galten dann im Winter wieder Einschränkungen, denen man aber schon mit mehr Routine begegnete. Das Homeschooling war eingerichtet, die Familie hatte sich sortiert. Und man freute sich sogar ein wenig auf gemeinsame Spielrunde und genoss ein ruhiges Weihnachtsfest.
Besonders starker Anstieg der TV-Nutzung in den ersten Monaten der Pandemie
Diese Rahmenbedingungen hatten Auswirkungen auf die kindliche Mediennutzung. Für das Fernsehen lässt sich das gut darstellen, weil die TV-Nutzung sehr genau über die Panelmessung dokumentiert wird. Sie stieg im Frühjahr 2020 bei Kindern im Alter zwischen 3 und 13 Jahren sehr deutlich an und erreichte ihren Höhepunkt im April mit 77 Minuten pro Tag – der höchste Wert seit 2015 für den Monat April.
Nach dem normalen Rückgang im Sommer 2020 stieg die Nutzung zum Winter hin nicht so stark an wie erwartet. Offenbar reglementierten die Eltern nun stärker, besetzten selbst das TV-Gerät oder erlaubten den Kindern zunehmend digitale Mediennutzung. In dieser Zeit sanken auch die Marktanteile der Kindersender – auch deshalb, weil die großen TV-Sender viel Programm für Familien anboten und weil Kinder mehr gemeinsam mit den Eltern konsumierten – z.B. auch die Nachrichtensendungen, um sich über Corona zu informieren.
Mit ausschlaggebend für die geänderte Mediennutzung ist auch eine Erweiterung des Gerätezugangs für Kinder. Die Familien waren – auch durch Homeschooling – gezwungen, in digitale Geräte zu investieren, die dann nicht nur für schulische Zwecke genutzt wurden. Seit Jahren ist erstmals wieder ein Anstieg bei der Ausstattung mit PCs bzw. Laptops sowie ein deutlicher Schub bei Tablets zu beobachten. Stand März 2021* verfügen 95 Prozent der Familien mit Kindern im Alter zwischen 3 und 13 Jahren über einen Computer, 66 Prozent über ein Tablet und fast alle über mindestens ein TV-Gerät und ein Smartphone. Offenbar hat Corona die Nutzung von diesen digitalen Devices auch schon bei kleinen Kindern legitimiert. Der PC oder Laptop, der bisher weniger beliebt bei Kindern war, wurde zum Arbeitswerkzeug, wird in der Anwendung beherrscht und dient natürlich auch der Nutzung von Games und Videos. 69 Prozent der Kinder (2019: 58%) nutzen ihn inzwischen. Und gut die Hälfte (52%) darf ein Tablet nutzen.
Die Geräte sind aber in der Regel nicht im Besitz der Kinder – selbst die begehrten Smartphones wurden nicht extra für die Kinder angeschafft, sondern sie dürfen nur für bestimmte Zwecke genutzt werden und werden von den Eltern reglementiert.
Familien entdecken neue Bewegtbild-Plattformen
Die verstärkte Hinwendung zu Medien aller Art bewirkt auch, dass Kinder und Familien neue digitale Plattformen für Bewegtbild für sich entdecken. Auch wenn das lineare Fernsehen als Quelle für Filme und Serien nach wie vor den höchsten Stellenwert genießt, so werden die Mediatheken der TV-Sender immer relevanter. 70 Prozent der Mütter bestätigen, dass ihre Kinder diese Plattformen nutzen – mehr noch als DVDs und sogar YouTube. Zusätzlich kam im Jahr 2020 Bewegung in die Nutzung von abofinanzierten Plattformen: 37 Prozent der Haushalte mit Kindern nutzen diese Möglichkeit mittlerweile (2019: 29%). Der am häufigsten gewählten Anbieter ist immer noch Netflix (68% Anteil in der Stichprobe der Nutzer), aber Disney+ hat den Markt aufgemischt und erreicht mit seiner speziellen Positionierung auf Anhieb 27 Prozent der SVOD-Familien.
Bleibt festzuhalten, dass das Jahr 2020 – und sicher auch noch die erste Jahreshälfte 2021 – dafür gesorgt hat, dass Familien einen anderen Blick auf die Mediennutzung der Kinder werfen. Fast alle Gattungen – auch digitale Spiele, Social Media, Podcasts und Streaming – legten an Relevanz zu. Gleichzeitig beschäftigten sich die Eltern mehr mit dem Thema, sorgten für Reglementierungen, nutzten mehr gemeinsam mit den Kindern und bewerteten die Anbieter neu. Die Kindersender und ihre Mediatheken schneiden hier besser ab als YouTube und TikTok.