Bis zur Pandemie galten die Deutschen als Reiseenthusiasten. Wie groß war der Einfluss von Corona auf die Reiseaktivitäten im vergangenen Jahr, welche Urlaubspläne haben die Deutschen für 2021? Die Reiseanalyse liefert Antworten.
Vor etwas mehr als einem Jahr ging Deutschland erstmals in den Corona-Lockdown. Im Zuge der Maßnahmen gegen die Verbreitung des Virus wurde das Flug- und Urlaubsangebot stark eingeschränkt, beliebte Urlaubsziele zu Risikogebieten erklärt und Grenzübertritte selbst innerhalb der EU erschwert. Trotzdem bahnte sich Corona weiter den Weg in die Bevölkerung, machte die Verlängerungen vieler Maßnahmen notwendig und stürzte damit insbesondere die Reise- und Tourismusbranche in eine beispiellose Krise.
Vor Corona war diese Branche von einer hohen und scheinbar unaufhörlich wachsenden Nachfrage geprägt: 71 Mio. Urlaubsreisen zählte man noch im Jahr 2019 – der höchste Wert, der je im Rahmen der seit 1970 stattfindenden Reiseanalyse gemessen wurde. Mehr als drei Viertel der Bevölkerung ab 14 Jahren (55 Mio. Reisende) hatten im Jahr 2019 mindestens eine Urlaubsreise unternommen und dabei nicht weniger als 73 Mrd. € ausgegeben.
Die Ergebnisse für das Jahr 2020 zeichnen ein anderes Bild: Die Anzahl der Reisenden ist infolge der Pandemie um knapp 20 Prozent, die Zahl der Urlaubsreisen mit einer Dauer von mindestens 5 Tagen um etwa 30 Prozent und das Volumen der Urlaubsausgaben sogar um nahezu 40 Prozent gegenüber dem Reisejahr 2019 zurückgegangen. Die stärksten Verluste sind bei Auslands- und Flugurlaubsreisen zu verzeichnen, deren Angebot zwischenzeitlich fast vollständig zum Erliegen gekommen war. Der heimische Tourismus konnte seinen Marktanteil an Urlaubsreisen indes leicht ausbauen, wenngleich die Zahl der Kurzurlaube auch hierzulande zurückgegangen ist.
Mehr als die Hälfte der Deutschen ist im Pandemiejahr 2020 verreist
Wie so oft gibt es aber auch in diesem Fall zwei mögliche Perspektiven auf die gewonnenen Ergebnisse: Trotz des beträchtlichen Rückgangs des Reiseaufkommens zeigen die Zahlen auch, dass der Tourismus durch Corona nicht vollends zum Erliegen gekommen ist. Immerhin knapp 45 Mio. Deutsche haben im Krisenjahr 2020 mindestens eine Urlaubsreise unternommen. Dies zeigt, dass selbst in einer weltweiten Gesundheits- und Wirtschaftskrise und trotz massiver Restriktionen im Reise- und Urlaubsangebot, selbst unter einschneidenden Beschränkungen der persönlichen Freiheit und im Angesicht einer möglicherweise persönlichen Gesundheitsgefährdung die Zahl der Reisen um nicht mehr als 30 Prozent sinkt.
Nur bei rund 30 Prozent der zwischen April und Dezember 2020 durchgeführten Urlaubsreisen hatten die Reisenden das Urlaubsziel aufgrund von Corona geändert. Zudem hat die Pandemie das Urlaubsgefühl weniger stark beeinträchtigt als man vermuten könnte: Etwa 60 Prozent der Reisenden, die sich für ein anderes Urlaubsziel entschieden hatten, geben an, trotz allem sehr zufrieden mit ihrer Reise gewesen zu sein. Bei Reisenden, die den Urlaub in der ursprünglich geplanten Destination verbrachten, erreicht dieser Wert sogar 77 Prozent.
Etwa die Hälfte der befragten Reisenden meint, dass sich ihr Urlaub im Vorjahr zwar "anders, aber nicht besser oder schlechter" angefühlt habe als vor Corona. Diese Ergebnisse sprechen für die Flexibilität der Urlauber und die Bereitschaft zur Anpassung an neue Gegebenheiten anstelle des Verzichts.
Durch die anhaltenden Corona-Belastungen steigt der Bedarf an Erholung immer mehr
Da die Pandemie noch nicht überwunden ist, stellt sich weiterhin die Frage nach der zukünftigen Reisenachfrage. Die wichtigsten Aspekte, die die Reisenachfrage positiv beeinflussen, sind die durch den Lockdown und den Verzicht aufgestaute Urlaubslust, das durch zusätzliche Belastungen wie Homeschooling gesteigerte Bedürfnis nach Erholung und der Verdruss über das Leben in Corona-Zeiten im Allgemeinen. Wie bereits in den Studien des letzten Jahres erkennbar war, zeigt sich auch in der Reiseanalyse 2021: Es mangelt den Deutschen nicht an der Motivation zu reisen. So stimmen 42 Prozent der Befragten zu, einen großen Freiheitsdrang zu verspüren und sich bei Urlaubsreisen im Jahr 2021 darauf zu freuen, "endlich wieder rauszukommen".
Darüber hinaus zeigen sich Zuwächse in nahezu allen abgefragten Urlaubsmotiven. Dies unterstreicht die These eines gesteigerten Bedürfnisses nach Urlaub und Reisen. Schauen wir auf die konkreten Reiseabsichten, äußert bereits die Hälfte der Befragten eine positive Reiseabsicht für das aktuelle Jahr. Auch wenn weiterhin eine große Verunsicherung in der Bevölkerung herrscht und 38 Prozent die Frage nach Urlaub in diesem Jahr für sich noch nicht beantworten können, so lehnen nur 14 Prozent Urlaubsreisen in 2021 kategorisch ab. Dieser Wert entspricht in etwa dem Vorjahresniveau (11%).
Nicht zuletzt aufgrund der Erfahrungen des letzten Jahres ist jedoch anzunehmen, dass ein relevanter Teil der Unsicheren im Laufe des Jahres trotzdem verreisen wird. Hierfür spricht auch, dass sich unter allen Reisenden der Anteil der Personen, die sich sehr spontan für ihre Urlaubsreise entschieden haben (in den letzten 4 Wochen vor Abreise), von 2019 auf 2020 nahezu verdoppelt hat.
Rund zwei Drittel der Befragten erwarten keine Veränderungen der persönlichen wirtschaftlichen Situation
Die stärkste Barriere für potenzielle Reisende stellt das tatsächliche Reiseangebot und die persönliche wirtschaftliche Lage dar. Obwohl viele Deutsche eine Verschlechterung der allgemeinen Wirtschaftslage erwarten, wird die eigene zukünftige Situation wenig pessimistisch betrachtet: 12 Prozent erwarten eine Verbesserung, 20 Prozent eine Verschlechterung. Die übrigen 68 Prozent sehen keine Veränderung. Es lässt sich somit festhalten, dass derzeit sowohl die Motivation und das Bedürfnis zu reisen als auch die Erwartung einer weitgehend stabilen Entwicklung der eigenen wirtschaftlichen Lage gegeben sind. Somit werden die Verfügbarkeit des Reiseangebotes und die tatsächliche Möglichkeit Urlaubsreisen zu unternehmen, die wesentlichen Faktoren im Hinblick auf die Reisenachfrage sein.
Die Verluste der Reisebranche durch Corona sind frappierend. Gleichwohl haben 45 Millionen Deutsche im Krisenjahr trotz größter Widrigkeiten eine Urlaubsreise unternommen. Die Motivation für und das Bedürfnis nach Urlaubsreisen ist weiter ungebrochen und durch die besondere Belastungssituation größer denn je. Die Erfahrungen der letzten Monate und die Daten der diesjährigen Reiseanalyse zeigen, dass insbesondere das Reiseangebot und die Möglichkeit, finanziell und gesundheitlich sicher zu reisen, wesentliche Faktoren für die Nachfrage waren und bleiben.