Die rationale Entscheidung: Werben? Jetzt!

Welche Auswirkungen haben Budgetkürzungen in der Krise? Erkenntnisse nach einem Jahr Corona – und warum genau jetzt der richtige Zeitpunkt zum Werben ist.

Die Corona-Pandemie hat die Gesellschaft und Wirtschaft hart getroffen und zu einer starken Verunsicherung geführt. Diese Verunsicherung hat sich auch auf dem Werbemarkt widergespiegelt, der insbesondere unmittelbar nach dem Ausbruch der Pandemie im Frühjahr 2020 stark eingebrochen ist.

Wenn auch die Corona-Pandemie in ihrem Umfang und den Auswirkungen beispiellos ist, so gibt es doch Erfahrungen aus vergangenen Krisen zum Zusammenhang zwischen Werbeaktivitäten, Markenperformance und Kaufverhalten. Die Ad Alliance hat nun auf Basis der Daten aus einem Jahr überprüft, inwieweit sich frühere Learnings auch in der Corona-Pandemie bestätigen lassen.

Im Januar und den ersten Wochen des Februar 2020 lagen die Media-Spendings für den Gesamtmarkt noch leicht über dem Vergleichszeitraum aus dem Vorjahr. Die stärksten Rückgänge mit mehr als 20 Prozent gegenüber 2019 waren im ersten Lockdown (März/April 2020) zu verzeichnen. Bereits Ende April stiegen die Spendings wieder an, hatten aber erst Anfang November wieder das Vorjahresniveau erreicht bzw. überschritten. Für das Gesamtjahr 2020 ergab sich ein Minus von 4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.


Studien zum Konsumverhalten in der Pandemie (so auch die Corona-Studien der Ad Alliance ) zeigen, dass für Marken in dieser Krise besonders hohe Potenziale bestehen. Mit dem Fortdauern der Pandemie werden etablierte Marken aller Produktkategorien wieder häufiger gekauft. Denn vertraute Marken stehen für Stabilität auch in unsicheren Zeiten und erfüllen das Bedürfnis, sich etwas Gutes zu tun. Dementsprechend stiegen die Umsätze von Markenartikeln im Jahr 2020 um 10 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Wenn Verbraucher in der Pandemie insgesamt mehr für Markenartikel ausgeben, bedeutet dies aber nicht, dass davon automatisch alle Marken profitieren. Denn die Marke muss im gesamten Kaufentscheidungsprozess in den Köpfen der Verbraucher präsent sein. Auf dem Radar bleiben Marken seit jeher durch Kommunikation; Sympathie und Bekanntheit erlangen sie vor allem über Werbung. So gewonnene Präsenz aber geht schnell verloren, wenn sich Marken zurückziehen.

Werbepausen sind unwirtschaftlich

Kann es sich trotzdem "rechnen", in Krisen an der Präsenz durch Werbung zu sparen? Merken Verbraucher vielleicht gar nicht so schnell, wenn sich eine Marke zurückzieht? Ein Blick auf die PKW-Branche lässt Zweifel an dieser Theorie aufkommen: Mit dem Rückgang der Spendings im April 2020 bricht auch zeitgleich die Werbeerinnerung ein. Ab Juli wird massiv gegengesteuert, die Spendings überschreiten teilweise sogar die Vorjahreswerte deutlich. Das ernüchternde Fazit zum Jahresende: Insgesamt wurde 9 Prozent weniger als im Vorjahr für Werbung ausgegeben – die durchschnittliche Werbeerinnerung liegt aber um 13 Prozent niedriger. Selbst das engagierte Gegensteuern im 4. Quartal konnte die Verluste also nicht kompensieren.

Selbst langsamer reagierende KPIs wie das Markenimage leiden – und zwar insbesondere bei einem kompletten Werbestopp. So hatte eine Marke in der Analyse (Branche Pharmazie & Gesundheit) ihre Werbeaktivitäten laut Nielsen ab dem 2. Quartal 2020 praktisch komplett eingestellt. Am Ende des Jahres 2020 ist nicht nur die spontane Markenbekanntheit von 50 auf 38 Prozent und die spontane Werbeerinnerung von 31 auf 12 Prozent gesunken – die Marke verzeichnet auch deutliche Verluste bei allen abgefragten Image-Items.


Diese Erkenntnisse entsprechen auch den Learnings aus früheren Studien zu Werbepausen. Hinzu kommt: Der Weg zurück ist lang – denn die Aufmerksamkeit und Sympathie der Verbraucher haben sich zwischenzeitig auf die Wettbewerber verlagert. Manche Wettbewerber haben allein dadurch gewonnen, dass sie konsequent so weiter geworben haben wie in der Vergangenheit - und vor dem Hintergrund der insgesamt sinkenden Mediaspendings in der Branche automatisch ihre eigene Präsenz erhöht haben. Andere, indem sie den Rückzug bestimmter Wettbewerber gezielt ausgenutzt haben und ihre eigenen Budgets deutlich erhöht haben. So hat eine Marke in der Analyse aus dem Getränke-Sektor im Beobachtungszeitraum immer wieder gegen den Trend geworben und über das Jahr hinweg seine Werbeerinnerung ausgebaut (+15%), während diese in der Gesamtbranche gesunken ist (-12%).


Auch hier bestätigt das Jahr 2020 die Ergebnisse früherer Studien zu antizyklischer Werbung – und zeigt, dass wenigstens in der Markenkommunikation die bewährten Rezepte aus früheren Krisen funktionieren.

Werbung trifft auf offene Ohren

Zu Beginn der Pandemie gab es auch Unsicherheiten bezüglich der Tonalität von Werbung. Welche Inhalte sind angemessen, welche (Konsum-)Bedürfnisse wollen weiterhin erfüllt werden? Die Studien der Ad Alliance haben gezeigt, dass Werbungtreibenden mehrere Wege offen stehen: Sie können in ihrer Kommunikation die Sicherheit herausstellen, die mit bewährten Markenerfahrungen einhergeht. Sie können sich als verständnisvolle Partner auch in schwierigen Zeiten positionieren. Und sie können aktiv dazu beitragen, den Umgang mit der Pandemie zu erleichtern. Über welche Mechanismen das funktioniert, zeigt unsere Studie "Leben im Lockdown".

Klar ist, dass die Corona-Pandemie den Wertewandel beschleunigt hat: positive, emotionale Faktoren wie Gesundheit und Freunde und Familie sind in den Vordergrund gerückt, Perfektionismus ein wenig nach hinten. Etablierten und neuen Marken steht eine Fülle von Möglichkeiten offen, im "New Normal" erfolgreich zu kommunizieren. Wer sich in einer Krise zurückzieht, verliert dagegen an Aufmerksamkeit, Image und Vertrauen.